LANGENPROZELTEN

Brodelnder Redestrom voller Wortakrobatik

Arnulf Rating präsentierte den 17 Besuchern in der Spessartgrotte bissiges Kabarett rasant vorgetragen


Bissig und direkt: Arnulf Rating wirbelte mit dem Soloprogramm Aufwärts durch die Spessartgrotte und hielt dem Publikum den Spiegel vor.
Foto: Bauernschubert

(rb) Arnulf Rating fühlte sich beim Auftritt in der Spessartgrotte wohl an seine kabarettistischen Anfänge erinnert. An die Zeit, als er als Unbekannter vor leeren Rängen spielte, bevor er sich zu einem der bedeutenden satirischen Komiker Deutschlands mauserte. Nur 17 Anhänger des rasanten Wortkabaretts besetzen die ersten drei Reihen in der Spessartgrotte. „Die Gelegenheit“, so Rating bissig, „Sie alle persönlich zu begrüßen.“

Und dann legt er los. Ohne Punkt und Komma jagt Rating durch die aktuellen Themen in Politik und Gesellschaft. Und wie mit dem Dreschflegel verteilt er verbale Hiebe an alle, die ihm über den Weg laufen, seien es Politiker, Banker, Geistliche, Fernsehmacher oder Quelle-Insolvenzverwalter. „Was ist nur los in diesem Land“, fragt Rating verzweifelt, „in dem jemand wie Guido Westerwelle zum Hoffnungsträger einer Partei werden konnte?“.

Es folgt ein Rundumschlag gegen die, mit denen früher in der Schule keiner spielen wollte. Das sind laut Rating nämlich die, die später in die Politik gegangen sind. Die Kritik bringt der Kabarettist nicht intellektuell verklausuliert an. Er spricht offen aus, was er von den Merkels, Steinmeiers und Pofallas dieser Nation hält. Und das in atemberaubender Geschwindigkeit, dass das Publikum kaum Zeit zur Reaktion hat.

Mit Wortspielereien gespickt

Stets spickt Rating den Redeschwall mit Wortspielereien. Die sind manchmal albern, wenn er von der Landtagswahl in „Braten-Würstchenberg“ spricht, manchmal doppeldeutig, wenn er mit „Beule von Pest“ beim Namen des ehemaligen Hamburger Oberbürgermeister Ole von Beust die „Wechstaben verbuchselt“, oft aber sarkastisch, wenn er im Zusammenhang mit dem zunehmenden Drang zu Schönheitsoperationen von der „Änderungsfleischerei“ spricht.

Seine Wortakrobatik ist so selbstverständlich in den reißenden und brodelnden Redestrom eingebaut, dass sie oft unbemerkt bleibt, oft auch erst mit Verzögerung zu Lachern und Applaus führt. Weil Rating den Zuschauern kaum Zeit zur Besinnung gibt, nimmt er sich die Zeit, um die Haltung der Menschen aus seiner Sicht zu porträtieren. Gleichgültig und selbstzufrieden „Na und!“ grunzend verschränkt er abwehrend die Arme vor der Brust. Er verkörpert damit den teilnahmslosen Deutschen in seiner Reaktion auf die politischen, gesellschaftlichen, atomaren und demografischen Katastrophen unserer Zeit.

„Aufwärts“ heißt das aktuelle Soloprogramm des 60-jährigen Kabarettisten, aber Rating macht schnell deutlich, wie verlogen für ihn die Wachstumsparolen der Politiker sind. Die Abwrackprämie, die als ein Treibsatz des Aufschwungs ausgelegt war, ist für Rating nur ein Schweigegeld für den bestechlichen Bürger. Und das Wachstumsbeschleunigungsgesetz habe er schon als Kind gekannt, erklärt Rating, während er Bauklötzchen zur Veranschaulichung des Wachstums solange stapelt, bis der Turm umfällt. „Wenn einer kippt, dann fällt alles ein. Portugal wäre momentan im Angebot.“ Am Ende des zweistündigen Programms hat Arnulf Rating alle Fragen, die er aufgeworfen hat, selbst beantwortet. Er entlässt die Gäste mit dem frustrierenden Empfinden, dass einiges nicht stimmt in unserer Gesellschaft und man mehr dagegen tun müsste. Gleichzeitig sorgt er aber für das beruhigende Gefühl, dass man dies ja Leuten wie ihm überlassen kann, die hofnarrengleich den Mächtigen und der Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Dann kann man sich entrüsten, auch mal zornig werden oder herzlich lachen, aber man muss letztlich nichts ändern.

Sarkastische Spitze

Eine sarkastische Spitze lässt sich Rating zum Abschied nicht nehmen. Er empfiehlt, Langenprozelten zur Kulturhauptstadt Europas zu ernennen. Zwar kämen zu seinen Auftritten in Großstädten deutlich mehr Zuschauer als an diesem Abend in Langenprozelten, aber umgerechnet auf die Zahl der Bevölkerung, stellten sie einen hohen Prozentsatz und seien damit Ausdruck großen kulturellen Potenzials.

© Main-Post, 15.04.2011