In viele Rollen geschlüpft

Arnulf Rating über Abwrackprämie, Beamte und Wirtschaftskrise

Von Susanne Krejcik

Arnulf Rating, der große blonde Künstler aus Berlin, gastierte in der Alten Mühle von Bad Vilbel.

Bad Vilbel. Im Programm «Aufwärts» präsentierte er einen breit gefächerten Streifzug durch deutsche Befindlichkeiten. Das Spektrum reichte von herber Kritik an den Ursachen und Folgen der Finanzkrise bis hin zum Geläster über Politiker jeglicher Couleur.

Dabei nahm der Rückblick auf die Wirtschaftskrise breiten Raum ein. «Woher hatten die Leute plötzlich so viel Geld, bei angebotener Abwrackprämie Autos zu kaufen? Haben sie bei den Unterhosen gespart und ist deshalb die Traditionsfirma Schiesser pleite gegangen?», fragte er.

Rating spottete über die strenge Budgetisierung im Gesundheitswesen: «Kommen Sie bloß nicht am Ende des Quartals mit einer ernsthaften Erkrankung zu Ihrem Arzt, da sind keine Mittel mehr für die Behandlung übrig», warnte er.

Der Künstler im weißen Hemd unter dem schwarz-weiß-gestreiften Anzug wetterte gegen soziale Ungerechtigkeiten, dabei arbeitete er viel mit Wortspielereien, die teils intelligent-witzig, teils verdreht-skurril daher kamen. Kopfschüttelnd beklagte er die Lethargie der Bürger hierzulande, die sich vieles gefallen ließen, gegen soziale Einsparungen nicht auf die Straße gingen, «aber zu Tausenden gegen den Bau eines Bahnhofs».

Rating schlüpfte in verschiedene Rollen, führte Zwiegespräche mit imaginierten Gegenübern und demonstrierte eine große Bühnenpräsenz, indem er immer wieder den Platz wechselte. Mal bemühte er am Schreibtisch das Klischee des faulen Beamten, dann wetterte er in der Rolle eines Bundespolitikers in dessen Berliner Stammkneipe gegen die sinkende Bereitschaft der Bürger, alle vier Jahre brav ihr Kreuz zu machen. Besser wäre es doch, wenn die Politiker ihre Wähler als Kunden begriffen und sie für das Kreuz an der richtigen Stelle mit Rabattmarken belohnten, schlug er vor.

Der Kabarettist bot eine Art vorgezogenen Jahresrückblick, indem er die Überschriften der Zeitung mit den großen Buchstaben der vergangenen Monate in die Höhe hielt und mit eigenen, zynisch-bissigen Kommentaren versah. Rating präsentierte überwiegend anspruchsvolles Kabarett, das für Unterhaltung sorgte, zum Nachdenken anregte und konzentriertes Zuhören erforderte.

© Frankfurter Neue Presse, 27.10.2010