„Der Trog bleibt — die Schweine wechseln“

Arnulf Rating eröffnete „Wortstark-Reihe“ mit wortgewaltigem Politkabarett

Von Hanne Wendleder

Bis auf den letzten Platz besetzt ist das „kleine Theater“ am Donnerstagabend gewesen. Die Ouvertüre der „Wortstark-Reihe“ zog das Publikum an, trotz oder gerade wegen der Testpause, welche die Initiatoren ihr auferlegt hatten. Ludwig Bichlmaier begrüßte im Namen der Stadtbücherei und des Kulturforums die Gäste und kündigte den Kabarettisten Arnulf Rating mit einem Zitat als Künstler des groben Wortes mit intellektuellem Schliff an. Diesem Urteil wurde der gebürtige Wuppertaler in seinem fast zweieinhalbstündigen Programm mehr als gerecht.

„Aufwärts“, so lautet das Thema des Wortgewitters. Aber Ratings Plakat zeigt genau die andere Richtung: Eine Rolltreppe abwärts, an deren Grund eine braune Pampe wartet, deren Beschaffenheit man lieber nicht wissen will. Genauso widersprüchlich beginnt der Kabarettist: „Es geht uns gut.“ Klar, die Zuschauer nicken. Aber gleich erinnert Rating an die zur Unzeit treibenden Schneeflocken draußen: „Die globale Erwärmung hab ich mir anders vorgestellt.“ Vom Temperaturanstieg leitet er über zur sozialen Kälte, für die keine Partei gerne die Verantwortung übernehmen möchte. Überhaupt kommen die Politiker bei ihm nicht gut weg: „Der Trog bleibt — die Schweine wechseln.“ Die aktuelle Situation analysiert er als weniger schlimm, verglichen mit der vor einem Jahr, wo die Angst vor der Bankenkrise und einer Million chinesischer Wanderarbeiter kursierte: „Wenn die nun alle zu uns gewandert wären.“

Er lästert über die Abwrackprämie, die er als 2500 Euro Schweigegeld bezeichnet, Geld, welches der Bürger in Form von Steuern an den Staat zurückgezahlt habe. Die Gegenrechnung macht er anders auf: Die Banken zahlen nicht zurück, vergeben auch höchst ungern Kredite, gönnen sich aber wieder enorme Boni. Und jeder sechste Mensch hungert. Gerne spielt Rating auch mit der Doppeldeutigkeit von Begriffen. Beispielsweise dass die Rettung der Firma Schießer „in die Hose ging“ oder dass Analysten so heißen, weil für sie wichtig ist, „was hinten rauskommt“ oder dass in den Seniorenstiften, den „Rentenvollzugsanstalten die Einlagen sicher“ seien.

Kein aktuelles Thema ist vor ihm sicher. Die Schweinegrippe, ein „Werbegag der Pharmaindustrie“, und die anstehende Impfkampagne bezeichnet er als „größten Versuch am lebenden Menschen“. Die Errungenschaften der modernen Gesellschaft entlarvt er als Schimäre: „Alles wird besser — aber nix wird gut.“ Immer wieder wechselt Rating den Blickwinkel auf die Dinge und legt eine neue Sichtweise frei. Aus der Preisbindung von Gas an das Öl wird ein lustiger Reigen von neuen Kombinationen, in welcher auch der Milchpreis nicht fehlen darf. Das Ganze kulminiert in einem Wortspiel, hinter dem sich bittere Realität nicht einmal verbirgt: „Früher machte man Strom aus Kohle, heute Kohle mit Strom.“

Aber Rating wettert nicht nur, er macht auch Vorschläge zur Güte. Beispielsweise bezüglich der Nichtwähler-Aktivierungsprogramme nach Art der Bonuspunkte. Da wird aus dem Parteibuch die CSU-Karte in Gold, aus dem Wahllokal eine VIP-Lounge mit Premium-Getränken und aus dem Richtig-Wähler ein gemachter Mann. Auch der große Stapel einer auflagekräftigen Boulevard-Zeitung fehlt nicht, und der Kabarettist stellt anhand der Schlagzeilen die höchst einseitige Sicht des Revolverblatts auf das Zeitgeschehen dar. Aber auch andere Medien verschont Rating nicht, so das Fernsehen: „Der Flachbild-Fernseher kommt der Programmtiefe entgegen.“

Nicht immer reagiert das Publikum mit Gelächter, denn manche Erkenntnis bleibt im Halse stecken. Zum Beispiel: „Einem Arbeitnehmer heute bleiben von einem Euro 48 Cent. Als früher die Bauern ihren Zehnten zahlen mussten, haben sie sich mit Mistgabeln gewehrt. Ach so, wir haben ja heute gar keine Mistgabeln mehr.“

© Landshuter Zeitung, 17.10.2009