"Ich will Riesters Rente"

Arnulf Rating findet "alles prima" beim Stuttgarter Kabarettfestival im Theaterhaus

Stuttgart - Arnulf Rating zählt zu den Polit-Klassikern. Wie Gerhard Polt und Bruno Jonas hat der 54-Jährige Kabarettgeschichte geschrieben. Er gehörte er zu der legendären Berliner Anarchotruppe "Die 3 Tornados", die in den 70er- Jahren nicht nur mit Preisen, sondern auch mit Prozessen und Auftrittsverboten "ausgezeichnet" wurden. Doch seit der Küblböckisierung des Landes interessiert sich die Mehrzahl der Unterhaltungswilligen eher für diesen Comedy-Kermit der deutschen Spaßgesellschaft als für einen, der einen sprachgeschliffenen Frontalangriff auf die politischen Verhältnisse im Land startet.

So war es ein kleiner Kreis, der ins Stuttgarter Theaterhaus gekommen war, um sich im Rahmen des 13. Stuttgarter Kabarettfestivals von Arnulf Rating sagen zu lassen: "Alles prima". Das ist natürlich gelogen. Sonst wäre der Crossover-Denker, der in seinen satirischen Stimmungsbildern der innerdeutschen Befindlichkeit nachspürt, ja arbeitslos. Dank aktueller und auch zurückliegender Ereignisse in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft reichte der Stoff mühelos für gut zwei Stunden Hochgeschwindigkeitskabarett, dessen Pointen "demnächst in Korea geschliffen" werden, weil's dort billiger ist.

Da gibt's kein Wiehern über kurzgegriffene, dünne Späßchen. Bei Rating hat jeder Programmpunkt eine Geschichte. Manchmal eine lange, wie die von der Ich AG. Anhand des eigenen Beispiels führt er das Arbeitslosenabwehrkonstrukt ad absurdum, indem er die harten Auseinandersetzungen zwischen Chef, Angestelltem und Vorstandsvorsitzendem in Personalunion vor Augen führt. Rating tritt mit Vorliebe im Nadelstreifenanzug auf, den Kranz Randbehaarung abstrakt um die Lichtung am Oberkopf gezaust, benötigt er lediglich zwei Perücken, zwei Brillen und drei Pappschachteln, die als dekorative Reformpakete irgendwann unterm Tisch verschwinden.

Das Publikum amüsiert sich glänzend über Sabine Christiansens "Sendung mit der grauen Maus" und ihrem dort bereits campierenden Dauergast Schily. Zur Senkung der Arbeitslosenquote rät Rating, die Autobahnmaut doch von Menschen ohne Beschäftigung am Straßenrand einzusammeln. Für Politiker verlangt er eine Unvermögenssteuer und eine Schwafelsteuer. Außerdem will er keine Riester-Rente sondern lieber Riesters Rente.

"Ist das witzig?" fragt er wiederholt das Publikum. Und: "Sollen wir Quatsch machen oder Politik - oder ist Politik Quatsch?" Wenn man das so genau wüsste. Zumindest ist seines Wissens kein aktueller Fall von Korruption bei Politikern in Stuttgart bekannt. Zur Döring-Geschichte meint er nur lakonisch: "Bei der FDP ist das der erste Schritt zum Ehrenvorsitzenden." Die schwäbische Metropole hat in seinen Augen Kurortstatus und den Titel Bad Stuttgart verdient. "Da fährt man nicht freiwillig hin, da wird man vom Arzt eingewiesen." Die anwesenden Eingeborenen verlangen trotzdem eine Zugabe.

Petra Bail

© Eßlinger Zeitung, 08.04.2005