Noch ein paar Monate, sagt mein Freund Werner, der sich mit Aktien
von Biotech-Firmen eingedeckt hat, nachdem die Internetwerte eingebrochen
sind, noch ein paar Wochen, sagt er, dann ist die Genforschung so weit.
Dann kann ich in ein Reagenzglas spucken, damit zum Europäischen
Patentamt gehen und mich patentieren lassen.
Ehrlich? Ich doppelt? Schon klasse. Aber wozu? Ich glaube öfters,
es ist schon zuviel, dass es mich einmal gibt. Manchmal kann ich schon
so nichts mit mir anfangen. Was soll ich dann erst mit zweien von der
Sorte?
In atemberaubenden Tempo wird der genetische Code des Menschen entschlüsselt.
Wir wissen immer mehr über uns. Auf der anderen Seite stehen wir
vor großen Rätseln wie der Frisur von Angela Merkel.
Es ist einfach so: Wir gewinnen immer mehr Klarheit über unsere
Zusammensetzung. Aber wie wir uns verhalten – da stecken wir
oft einfach nicht drin. Manchmal, glaube ich, stehen wir da erst ganz
am Anfang.
Um so flotter forschen wir drauf los. Vor einigen Jahren beispielsweise
ließ ein Berliner Radiosender mitten auf dem Alexanderplatz einen
nagelneuen Mercedes aufstellen, den derjenige bekommen sollte, der
es schaffen würde, am längsten darin sitzen zu bleiben. Also
saßen da alsbald fünf freiwillige Versuchsberliner drin,
die nur für kurze Pinkelpausen die Kiste verlassen durften. Und
sich ansonsten rund um die Uhr von gaffenden Passanten ohne Eintritt
bestaunen ließen.
Dieser neuartige Versuch artgerechter Menschenhaltung kam beim Publikum
prima an und wurde erst nach über einer Woche durch ein Gerichtsurteil
gestoppt. Von einem anderen Radiosender – wegen unlauterer Werbung.
Also nicht etwa, weil diese Form der EU-Norm für die Käfighaltung
widersprochen hätte. Warum auch. Was Leute sich selbst alles antun
dürfen, um an ein Auto zu kommen, steht nirgendwo unter Strafe.
|
|
Wo kämen wir da auch hin. Die kleinbürgerliche Methode,
sich ein Auto öffentlich auszusitzen, wirkt im ersten Moment merkwürdig.
Bei genauerer Betrachtung stellt man fest: dies geschieht – getarnt
als Arbeit – massenhaft und täglich. Wobei, nebenbei bemerkt,
diese direkte Art der – im wahrsten Sinn des Wortes – Autofolter
mit Sicherheit viel sozialverträglicher ist, als wenn man, beispielsweise
um einen Audi fahren zu dürfen, einer ganzen Nation als Kanzler
in Form von penetrantem Optimismus auf die Nerven geht.
Noch bevor das entsprechende menschliche Gen entschlüsselt wurde,
wussten wir also, was Menschen mit sich machen lassen, um an ein Auto
und/oder ins Fernsehen zu kommen. Klar, dass sich für Forschungsprojekte
wie »Big Brother« Kandidaten haufenweise finden. So kann
ein ganzes Volk von Verhaltensforschern im TV oder live übers
Internet dabei mitmachen. Weil nichts erfolgreicher ist als der Erfolg,
hat sich
»Big Brother« flachdeckend durchgesetzt.
Ein erheblicher Teil der Aufmerksamkeit der Nation konzentriert sich
auf das Containerlager in Hürth. Und richtig: Wo Plappern zum
Handwerk gehört, ist nach einem zwingenden biologischen Naturgesetz
bald auch Veronika Feldbusch zur Stelle. Ebenso zwingend: vor einer
Kamera ist stets der Standpunkt von Politikern wie Jürgen Möllemann.
Menschen, die nur die Boris-Becker-Frage kennen: »Bin ich schon
drin?«
Möllemann machte den interessanten Vorschlag, in Zukunft
Wahlkämpfe abzuschaffen und statt dessen die Parteivorsitzenden
einen Monat lang in so ein Containerlager zu packen. Also Schröder
mit Angela Merkel, Guido Westerwelle und Gunda Röstel vier Wochen
zusammengesperrt. Prima.
Aber warum nur für vier Wochen?
|